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Sarah Wagenknecht: Die Selbstgerechten.


Politik ist ein hartes und unbarmherziges Geschäft. Das bekam auch die LINKE-Politikern zu spüren. Ihr Buch ist lesenswert.

Manchmal scheint ein wenig Verbitterung durch die Zeilen der Autorin. Aber das muss vielleicht so sein, wenn man von den eigenen Partei-Kolleg:innen abserviert wurde. Bitterkeit kann helfen die Lage für sich zu klären und Worte auszusprechen, die ansonsten keiner mehr auszusprechen wagen würde.

Die Frau ist mutig und gerade! Das ist etwas, was es heute sehr selten gibt. In einer Gesellschaft, in der sich Menschen nicht nur bei der Arbeit „krumm“ machen, sondern inzwischen fast das gesamte private Umfeld auf Anpassung und Angleichung, auf Loben und Buckeln getrimmt ist, ist ein emotional-deutlicher Vorstoß wie Sarah Wagenknechts nur zu begrüßen.

Ich habe das Buch gekauft, um das Geheimnis der „Identitären Politik“ für mich zu lüften. Das Buch hat mir geholfen zu verstehen und zu hinterfragen, was seit ein paar Jahren passiert. Denn der ideologische Dogmatismus nimmt zu. Von vielen Seiten. Wer ausgleichende Ansichten vertritt, ist der Feind. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns! Die Autorin hat das am eigenen Leib zu spüren bekommen.

Schon lange spüre ich, wie Intoleranzen um sich greifen. Und zwar genau bei den Menschen, die die Welt besser machen wollten. Oft beharren sie so sehr auf ihrer Meinung, sind selbstgerecht, dass der Dogmatismus hinter ihrem Rücken hervorlugt und ein breites Grinsen zeigt. Es ist ein wenig wie Scharlatanerie. Links kann soweit aus der Mitte herausrutschen, dass, wenn Ideologie ein Kreis wäre, das Linke beim Rechten ankommen würde. Das gibt mir schon lange zu denken.

Auch das Thema Migration und Armut ist in ihrem Buch gut und gedankenreich skizziert. Hier wird die globale Perspektive von einer anderen Seite geöffnet und gezeigt, was es für arme Länder strukturell bedeutet, wenn die gut ausgebildeten Leute, die junge Generation weggeht, um woanders ihr Glück zu suchen (was man den Weggehenden natürlich nicht verdenken kann). Im Osten Deutschlands ist das vielfach passiert und das Ergebnis sehen wir seit 30 Jahren: Wenig Weiterentwicklung, wenig Innovationen, hohe Frustrationsrate, starke Überalterung, ein Stillstand wie kurz vor der politischen Wende 1989.

Das Buch: Sehr lesenswert! Nicht so sehr als Bettlektüre geeignet, weil schwere Kost. Am besten 5 Tage 2 h Zeit nehmen, um zügig den Gedanken der Autorin zu folgen.