Die einen schreien und fühlen sich nicht beachtet. Die anderen schweigen.
Komische Welt, in der wir leben. Hin und her gerissen sind die Menschen, gespalten, angsterfüllt. Wir leben offenbar in einem Raum durchzogen von Toxic Positivity, Unzufriedenheit,
Hass-Kommentaren in den sozialen Medien und einer realen Welt, in der sich immer weniger Menschen wohl und beachtet fühlen. Eine Art Sättigungsproblem, ein Überschnappen mit Schnappatmung, ein
Luxusphänomen von Menschen, die keine anderen Probleme mehr haben, schätze ich - nicht in Ländern zu finden, die einen wesentlich niedrigeren Lebensstandard als wir haben.
Es gibt inzwischen einige Bücher dazu - wie ich der ZEIT vom 26.08.2021 entnehme: Werke, die auf unterschiedliche Weise beschreiben, wie die westlichen Welten langsam verfallen, wie der innere
Zusammenhalt der Gesellschaft verloren geht und "dabei Verlierer produziert (werden), die nicht mehr an ein besseres Leben glauben - schon gar nicht mehr an die Politik." (Peter
Dausend). Zur Literatur - siehe unten.
Ausgeglichenheit, Zuhören und gegenseitiges Verstehen – wo seid ihr geblieben? Fehlanzeige, denn oft gibt es gar kein Verständnis für die andere Seite. Als wenn die Menschen verlernt haben
anderen Menschen das Menschsein zuzugestehen, die fortgeführte Verdinglichung (und damit Entmenschlichung) der Welt. Hatten wir das nicht schon mal 1939 – 1945? Andere Meinungen tolerieren? Wo
kommen wir denn da hin, sagt sich manch` erboster Zeitgenosse, der weiß, wie die Welt sich dreht, wo es langgeht und von wem wir gesteuert werden. Da ist kein Platz für Diskussionen.
Oder bekommen wir nur die mit, die ihren Mund aufreißen und meckern? Weil die stillen, verständigen Menschen sich nicht regen? Weil gerade die Mutigen fehlen, weil die Feigheit siegt und damit
das Schlechte noch befördert wird?
Und welchen Anteil hat die kommerzielle Medienwelt daran? Schürt sie die Verunsicherung, die zu Angst und damit zum „Überschnappen“ führt oder bildet sie wirklich nur ab was ist?
Literaturhinweis:
Didier Eribon: Rückkehr nach Reims
J.D. Vance: Hillbilly Elegy
Michael Sandel: The Tyranny of Merit
Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten
Andreas Reckwitz: Das Ende der Illusionen