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Pleistocene Park in Sibirien.


Sibirien ist sehr weit weg. Und sehr kalt. Arktisch. Der Ort, den wir nun beschreiben möchten, ist so weit von Berlin entfernt, dass google maps echte Schwierigkeiten hat, irgendeine Route dorthin auszurechnen. Nicht weiter schlimm, denn wahrscheinlich kommen wir niemals in unserem Leben dorthin. Leider. Aber die Beschäftigung mit dem, was an diesem Ort zum Thema Rewilding passiert, ist erhellend und gibt viel Hoffnung. Auch hier sind Weltverbesserer am Werk. Ganz uneigennützig. Sie arbeiten ausschließlich, um die Erde zu retten und damit auch die Menschheit.  

Knapp 15.000 Kilometer entfernt (in die östliche Richtung reisend) findet man in Ostsibirien in der russischen Sakha Republik den „Pleistocene Park“ (russisch Плейстоценовый парк; deutsch Pleistozän-Park). Er ist für unser Rewildung-Thema deshalb spannend, weil auch hier wieder echte Wissenschaftspioniere und Enthusiasten am Werk sind – und zwar ganz praktisch und mit weltweiter wissenschaftlicher Vernetzung und Finanzierung. Die spezielle Form, die dort betrieben wird, heißt „Pleistocene Rewilding“.  

Seit 1996 wird im „Pleistocene Park“ auf ca. 2.000 Hektar (= 20 Quadratkilometer) ein wissenschaftliches Landzeitexperiment zur „Megaherbivorenhypothese“ durchgeführt. Vor 1996 hieß das Areal nicht „Pleistocene Park“, war aber als solches schon vorhanden. Wieder geht es um den Klimawandel. Die Wiederherstellung eines großflächigen arktischen Weideökosystems (Mammut-Ökosystem) ist Ziel des Parks. Damit soll das rasend schnelle Auftauen des Permafrostbodens (und damit die steigende Erderwärmung durch das massenweise Entweichen  von Methangas und Kohlendioxid) bekämpft werden. Sergej und Nikita Zimov, Vater und Sohn, ihre Frauen, ihre Kinder und Enkelkinder sowie etliche Mitarbeiter arbeiten seit Jahren in der ostsibirischen Tundra mit relativ wenig finanziellen Mitteln und oft auf Kampagnen- und Spendenbasis, um zu zeigen, dass die Busch- und Krüppelbaumlandschaft, die heute dort zu finden ist, nicht immer vorherrschte. Ihre These besagt, dass im Pleistozän eine Steppentundra in Sibirien überwog, also wesentlich mehr Gras.   

Im „Pleistocene Park“ geht es also um ein Erdzeitalter, dass 2,5 Millionen Jahre bis ca. 12.000 Jahre vor unserer Zeit angesiedelt ist. Beim Rewildingansatz des Parks werden, weil man die Megafauna des Pleistozäns natürlich nicht einfach so wiederherstellen kann, Megaherbivoren der Jetztzeit eingesetzt (wie in Oostvaardersplassen und Knepp Estate). Durch den Einsatz großer Huftiere sollen die natürlichen ökologischen Prozesse wieder in Gange gesetzt werden. Und das geht so: Die schweren Tiere trampeln nach und nach den Schnee platt und verdichten ihn. So kommt mehr Kälte an den Boden, der Frost dringt in tiefere Erdschichten vor und hält die klimaschädlichen Gase fest im Boden. Der Tauvorgang unterbleibt. Zimovs und ihr Team haben, weil sie schon so lange mit den Huftieren arbeiten, Messungen vornehmen können: Im Winter sinkt die Erdtemperatur im Park auf minus 22 Grad Celsius. Außerhalb des Parks, wo die Huftiere den Schnee nicht verdichten oder die Erde freilegen, sind es nur minus 7 Grad Celsius. Man kann also sagen, dass das Pleistocene-Experiment bereits gelungen ist!

Schon ab 1988 kamen etliche große Huftiere in das Areal – die Zimovs lebten damals schon dort. Wir zitieren die Artenvielfalt aus dem wikipedia-Eintrag , um den Überblick zu bekommen. Die Tiere kamen nach und nach ins Areal.   

•    5–15 Elche – Elche gehören zu den einheimischen Arten. Einige Tiere wurden bereits mit der Einzäunung des großen Areals in den Park integriert.

•    40 Jakutische Pferde – Die halbwilden jakutischen Pferde sind in der Region heimisch. Sie wurden schon im Jahr 1996 in den Park gebracht.

•    15 Kalmücken-Rinder – Erstmals kam eine Gruppe Kalmücken-Rinder im Jahr 2018 in den Park.

•    20–30 Rentiere – Die Rentiere des Parks kommen aus der Tundra, ungefähr 100 Kilometer nördlich des „Pleistocene Park“.

•    12 amerikanische Präriebisons – Die erste Gruppe von Präriebisons wurde im Frühjahr 2019 aus Dänemark in den Park gebracht.

•    3–4 Moschusochsen – Die Moschusochsen kamen von der Wrangelinsel in den Park.

•    18 Schafe – Die Schafe wurden im Jahr 2017 in den Park gebracht.

•    1 Wisent

•    8 Yaks – Sie wurden im Frühjahr 2017 aus der Baikalsee-Region in den Park gebracht.

•    Kamele und Ziegen – Sie sind ab 2021 im Park.

Da die Zimovs und ihr Park sich laufend weiterentwickeln wird zudem überlegt den sibirischen Tiger wiederanzusiedeln. Damit würde ein Spitzenprädator ins Rennen gehen, der den Bestand der Huftiere auf natürliche Art regulieren könnte. Auch das Wollhaarmammut würde man im „Pleistocene Park“ gerne wieder über die Steppe wandern sehen – sollte es eines Tages genetisch neu auferstehen .

Während das Rewilding in der westlichen Welt inzwischen einige Aufmerksamkeit generieren kann und als ernsthafte Lösung der anbrechenden Klimakrise ins politische, soziale und ökonomische Bewusstsein von Entscheidungsträgern rückt, haben es die Russen rund um die Zimovs in der arktischen Tundra wesentlich schwerer. Nicht nur, dass ihnen weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, sie agieren zudem in einer der unwirtlichsten Gegenden der Erde . Und die Politiker Russlands? Sie freuen sich wahrscheinlich mehr darüber, dass das Auftauen des Permafrostboden ungeahnte Mengen an Rohstoffen zutage fördert.

Gesagt werden muss aber auch, dass der Staat einen großen Anteil am Erhalt des Parks hat. Die „Pleistocene Park Association“, eine gemeinnützige Gesellschaft, ist Besitzerin des Parks. Der Besitz wurde vom Staat übernommen, der das Gebiet der Gesellschaft überschrieben hat. Grundsteuern brauchen nicht bezahlt werden. Sollte das Experiment auf den derzeit zum Park gehörenden 2.000 Hektar erfolgreich sein (und es sieht ganz danach aus!), wird die Regionalregierung die Pufferzone rund um den Park, die 600 Quadratkilometer (60.000 Hektar) umfasst, dem Park dazuschlagen. So würde eines der größten Rewilding-Projekte weltweit entstehen.

In Deutschland gibt es seit 2019 die „Pleistocene & Permafrost Stiftung“. Sie soll die Ziele des Parks und natürlich den Park selbst deutlicher breiter in der deutschen Öffentlichkeit verankern. Zudem kümmert sich die Stiftung um eine gute Arbeitsbasis für den Park, indem Sachspenden (Nutzfahrzeuge für den Permafrostboden und den Flussverkehr) bereitgestellt sowie wissenschaftliche Kontakte, z. B. ans Max-Planck-Institut vermittelt werden. Dirk Steffens, bekannter deutscher Wissenschaftsjournalist, ist einer der Botschafter des Parks. Es gibt zudem die 2015 gegründete US-amerikanische „Pleistocene Park Foundation“. Ihre Aufgabe ist es private Spenden für den Park im US-amerikanischen Raum aufzutreiben.

Pleistocene Park
www.pleistocenepark.ru
www.pleistocenepark.de  

Dokumentarfilme zum Park
www.pleistocenepark.ru
www.pleistocenepark.ru/north-east-science-station

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